Wegelnburg
Herbst,  Leica Q,  Natur,  Pfalz

Wegelnburg

Die Wegelnburg aus dem dem 13. Jahrhundert liegt an der unmittelbaren Grenze zu Frankreich, etwas westlich der kleinen Gemeinde Nothweiler. Die Höhenlage von 570 m über NN macht sie zur höchstgelegenen Burg der Pfalz. In der Nachbarschaft finden sich die Hohenburg und die Burg Löwenstein. Ein geeigneter Startpunkt zum Erreichen der Burg ist der Wanderparkplatz am Ortsausgang von Nothweiler in Richtung Frankreich.
Und es würde eine Tour ohne Claudia werden. Zur geplanten Zeit bekäme ich sie niemals aus dem Bett.

Wegelnburg
Der nordöstliche Teil der Wegelnburg

Für den 06.11.21, einen Samstag, versprach die Wettervorhersage zum Sonnenaufgang 60 – 90% Bedeckung mit niedrigen Wolken. In den höheren Wolkenstockwerken sollte alles frei sein. Die bodennahen Temperaturen würden deutlich unter dem Taupunkt liegen. Das würde definitiv Nebel bedeuten. Außerdem sprach die Ausweitung der Ausdehnung der niedrigen Wolken, zum Sonnenaufgang hin, für Nebel. Leider kenne ich keinen Vorhersagedienst, der niedrige Wolken und Nebel unterscheidet.
Die Auflösung des Wettermodelles spielt eine entscheidende Rolle. Die besten Erfahrungen habe ich mit ICON EU gemacht. Das hat eine Maschenweite von 6,5 km mit 60 Schichten. Abrufbar sind diese Informationen bei Kachelmannwetter. Viele Wettervorhersagen im Internet bedienen sich der Daten von GFS (Global Forecast System). Das operiert weltweit mit 28 km Maschenweite, taugt demnach für eine lokale Vorhersage überhaupt nicht. Dort besteht der ganze Pfälzer Wald aus ca. 4 Klötzchen.
Ich rege mich immer innerlich auf, wenn jemand sagt, dass der Wetterbericht vom Smartphone nicht korrekt war. Wäre es denn ein Bericht gewesen, hätte er sicher gestimmt, weil das Wort Bericht bedeutet, dass ein Ereignis in der Vergangenheit liegt. Wie könnte man sonst berichten? (Semantik) Was nicht stimmt, ist die Vorhersage, weil ein zu weites Maschengitter zugrunde liegt, was der Nutzer aber nicht weiß, denn er verschwendet keinen Gedanken daran.
Keine Sorge, ich habe gelernt, zu diesem Thema vor Ort nichts zu sagen. Mein Monolog würde Stunden dauern und wir wollten ursprünglich fotografieren. Das dämliche Grinsen im Gesicht muss ich später einmal abstellen. Sorry für diesen Exkurs, aber das musste mal raus.
Zurück zum Thema:
Wo die Nebelobergrenze letztlich liegen würde, wusste ich nicht. Die perfekte Wetterplanung gibt es offenkundig nicht.

Wegelnburg, Orion

Das Ende der dunklen Nacht würde 05:35 Uhr sein. Ich fotografiere gern ein paar Sterne in völliger Dunkelheit und jetzt im November steht Orion, ein Wintersternbild, so markant am späten Nachthimmel.
Anfahrt und Anmarsch diktierten somit das Weckerklingeln für 02:30 Uhr. Gegen 04:30 Uhr war ich am Gimbelhof in Nothweiler. Im Ernst, der Parkplatz ist Mist. Es geht am Ende steil hoch in den Wald auf einem matschigen Untergrund und Platz ist wegen Holzfällarbeiten ebenfalls nicht. Besser dürfte es sein, den Wanderparkplatz an der französischen Grenze zu benutzen. Das verlängert den Fußweg nur um 10 min.

Wanderschuhe an, Rucksack auf und los. Moment, noch die Tour auf Komoot starten. „Die App wird vorbereitet……“ Waaaaaas? Ich hatte doch daran gedacht, die Route auf offline zu stellen und somit runterzuladen. Warum funktioniert die Sch….e nicht? Vermutlich wollte Komoot hier in Dunkeldeutschland mit Edge ein Update installieren. Meinen sakrischen Fluch möchte ich nicht wiedergeben. Woran muss man denn bei diesen neumodischen Spielzeugen noch denken? Das ist doch zum Verrücktwerden. Wie ist Hannibal bloß über die Alpen gekommen? Und wie haben wir beim Wehrdienst nachts unser Marschziel gefunden?
Wie war das gestern bei Lesch‘s Kosmos? Die Lösung eines technischen Problems bringt mindestens zwei neue hervor.

Orion

Okay, Alternative? Google Maps.
Das hat dann hinlänglich gut funktioniert und an dieser Stelle ein dickes, fettes Lob an die Beschilderung. Zwar muss man mit der Taschenlampe rumfuchteln, aber ich habe an jeder Abzweigung präzise Wegweiser gefunden. Danke !
Nebenbei bemerkt, schon beim Loslaufen, waren die Sterne durch den Nebel erkennbar. Das würde guuuuuut werden.

Im Dunklen kommen mir die Wege immer endlos vor. 200 Höhenmeter waren zu überwinden.
05:20 Uhr, ich habe den Burghof erreicht, nassgeschwitzt.
Locationscouting, geiles, dämliches Wort: Jeder vernünftige Fotograf macht das im Hellen. Ich erledige das, Kraft meiner Wassersuppe, nachts mit einer Taschenlampe. Zweifelsfrei geht es depperter. Ist mir bis heute nur noch nicht eingefallen.

Die Burg ist von Südwesten nach Nordosten ausgerichtet. Orion stand ausnehmend schön über dem höheren Teil.

Tssssd, Tssssd, Ding, Ding in meiner Brusttasche. Ich erschrecke fürchterlich und denke sofort, welcher Vollpfosten schickt mir denn morgens 05:30 Uhr eine dämliche SMS. „Herzlich Willkommen bei Vodafone Frankreich“. “Sie surfen…… usw.” Ist das nicht total bekloppt?

Herbstnebel

Auf einer ausgezeichneten Internet-Seite hatte ich ein Bild von den Lichtern Nothweilers unter dem Nebel gesehen. Das wollte ich ebenfalls haben. Von der niedrigeren Mauer am Nordostende der Burg lässt sich das mühelos einfangen.

Nothweiler im Nebelmeer
Blickrichtung Nordosten, vorn unten Nothweiler

Von der NO-Mauer aus hatte ich schon die irrlichternden Lampen im Wald gesehen. Lange würde ich nicht mehr allein sein.

Stirnlampen sind durchaus praktisch beim Fotografieren und ich verstehe auch, dass man beim Laufen beide Hände frei hat. Mir ist eine Taschenlampe, gedimmt, lieber. Mit einer Stirnlampe fühle ich mich affig. Vermutlich bin ich nur zu alt für diesen Kram.
Bald irrlichterten die Stirnlämpchen durch den Burghof. Mindestens 10 min sind vergangen, bevor die mal auf Rot geschaltet wurden und aufhörten, sich wie ein Glühwürmchen auf Koks zu bewegen. Ich hatte meine Astro-Bilder zum Glück im Kasten, äh auf der Karte.

Sonnenaufgang

Standortwechsel:
Ich bin ein ziemlicher Höhenschisser. Zur blauen Stunde traute ich mich doch auf die Mauer, um den vorderen Teil der Burg über dem Nebelmeer einzufangen.

Nach und nach wurde es unterdessen voller auf der Burg. Die blaue Stunde war inzwischen schon fast vorbei. Warum kommen die so spät, wegen 30 min länger schlafen?

Okay, ein Päarchen kam aus Augsburg; Chapeau dafür und ein Fotograf aus Frankfurt hatte auf seine Begleitungen gewartet und im Auto geschlafen.

s.a.n_s.h.i.n.e

„Soll ich jetzt nach vorn auf die Mauer?“ „Ja, kannst Du machen.“ „Mit dem Kleid?“ „Na klar mit dem Kleid.“ So in etwa war die kurze Konversation.
„Hmm, was kommt jetzt?“, grübelte ich.

An dieser Stelle mein tiefstes und ehrlichstes Chapeau an s.a.n_s.h.i.n.e und mariustherock. 30 min vor Sonnenaufgang steigt sie in einem roten, schulterfreien Kleid auf die nordöstliche Burgmauer. Zu dem Motiv muss ich nichts sagen.

Kritiker waren später im Netz selbstverfreilich sofort zur Stelle, denn wisse, Landschaftsfotografie ist mit ohne Menschen und auf der Mauer ist es um Längen zu gefährlich, nein unverantwortlich.
Oh je, ihr Engstirnigen. Ich konnte Bilder ohne Person auf der Mauer machen. Deshalb war ich seit 05:20 Uhr hier. Das ist ein absolut zuverlässiges Mittel, um genau das zu erreichen.
Und wenn eine junge Frau die Körperbeherrschung hat, sicher dort oben zu stehen, dazu auf Anweisungen prompt reagiert, die aus 30 Meter Entfernung zugerufen werden und erst nach Minuten fragt, ob sie sich bei 5°C zwischendrin mal eine Jacke überziehen kann, hat sie gewiss nur Respekt verdient.
Wenn ein Depp*in auf die Mauer steigt, um ein Selfie zu machen und dabei nach unten verschwindet, ist das dumm gelaufen. Da war etwas mit dem Genpool und Verlust; will mir just nicht einfallen……

Sonnenaufgang

Mittlerweile ist die Sonne aufgegangen und scheint über das Nebelmeer. Dieser Morgen wirkt für sich selbst, ruhig, herbstlich und wunderbar. Die Nebelfetzen und ihre Schatten bieten lohnenswerte Motive. Da ich heute „nur“ das kleine Besteck mitführe (Leica M10 und Leica Q), ist bei 75mm Brennweite Schluss. Einiges hätte sich 100 – 200 mm vertragen. Die 1,5 kg des Tamron 70-200 inklusive einer DSLR wären beim Anmarsch lästig gewesen und sind deshalb bewusst im Schrank geblieben.

Hier muss ich ein paar Worte zu den anwesenden Personen verlieren. Ihr wart Klasse. Ich habe mich selten so wohl gefühlt. Der höfliche Umgang, ein Traum. Es war wie eine Fotoparty, mit leider vergessenem Glühwein. Da bleibt zu hoffen, dass man sich bald wieder begegnet.

Fast hätte ich es verpasst. 40 min nach Sonnenaufgang kamen zwei Drohnenpiloten. Den Witz über die versäumte Umstellung auf Winterzeit durfte ich mir nicht verkneifen. Glücklicherweise kann eine M10 keine Tonaufnahmen und so blieb das Surren nur in den Ohren und die Drohne im Bild. Schade, dass ich keine Schrotflinte habe.

Sol fluitans

Herbstwald

Auf dem Rückweg zum Auto habe ich mich mit dem Weg ein bisschen vertan. Komoot ging naturgemäß immer noch nicht. Als Entschädigung führte der Abstieg in den Nebel zurück, entsprechende Motive inklusive.

Verwendetes Equipment:
Leica M10, 35cron, asph., 75 Summarit 2.4, Leica Q, Stativ und Drahtauslöser
Ist das wichtig? NEIN !
Was antwortete Henri Cartier Bresson auf die Frage einer Schriftstellerin, was er denn für eine tolle Kamera besäße, die solch schöne Bilder mache? „Ihr letzter Roman war sehr erfolgreich. Da müssen Sie sicher eine tolle Schreibmaschine haben, wenn Ihnen das gelungen ist.“

One Comment

  • Claus Sassenberg

    Lieber Dirk,

    Super-Bilder, sehr stimmungsvoll! Im übrigen: Landschaftsbilder müssen ohne Menschen sein? Was ist das denn für ein beklopptes Postulat?

    Ein schöner, witzig geschriebener Bericht über Freud und Leid des Landschaftsfotografen, und was für (selbstauferlegte) Härten man für gute Lichtstimmungen so in Kauf nimmt.

    Liebe Grüße aus Ostwestfalen,

    Claus

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