Zurück zum Film, analoge Kameras und Silbersalz 35
In diesem, kleinen Aufsatz erzähle ich über die Rückkehr zur analogen Fotografie, ein bisschen über die verwendeten Kameras und natürlich über Silbersalz 35.
Einleitung
Im Jahr 2004 habe ich die erste digitale Spiegelreflexkamera, eine Nikon D70 angeschafft. Zu diesem Zeitpunkt war ich der Meinung, dass die Qualität der Bilder denen aus analogem Film ungefähr gleichwertig war. Für meinen Teil glaubt ich damals, mit den Filmrollen abgeschlossen zu haben. Nicht einmal die Spannung beim Abholen der Abzüge würde ich vermissen. An Silbersalz 35 war damals noch nicht zu denken.
Ich muss jetzt ein bisschen ausholen, bis ich den gedanklichen Weg zu Silbersalz 35 finde. Keine Sorge, weiter unten komme ich darauf.
Nikon F90x, FM2n
Die Nikon F90X kam in den Schrank und dort blieb sie für viele, viele Jahre. Geschätzt in der Mitte von 2020 fragte mich meine Frau, ob wir analoge Kameras besitzen. Wir waren auf die Benutzung von Film gekommen, ausgelöst vermutlich durch die Leica Q und weil ich mir eine alte Praktika aus DDR Produktion per Ebay gekauft hatte. Warum Praktika ist eine andere Geschichte.
Ich stiefelte in den Keller und da war sie. Profimäßig, steckte der Hochkantgriff noch an der F90X und „Mea Culpa“ die Akkus waren drin. Vergessen……., nie wieder dran gedacht, ein Sakrileg aus heutiger Sicht. Das Verschieben des Anschaltknopfes brachte sogar das Display auf der Oberseite zurück ins Leben. Für den AF-Antrieb des Objektives hat es nicht gereicht.
Mittlerweile ist der Hochkantgriff ab. Ich habe den normalen Batterieeinsatz in meiner total “aufgeräumten” Kiste gefunden.
Kenner der F90X wissen, was diese Kamera für ein Riesenklopper ist. Klar, sie erfüllte und erfüllt ihren Zweck mit Bravour. Cool ist sie nicht.
An der Kamera hatte die Nikon-typische Krankheit des Verklebens der Kunststoffrückseite zugeschlagen. Man kann sich das so vorstellen, dass die Finger am Filmdeckel förmlich festkleben und tiefe Abdrücke hinterlassen. Kein Forensiker müsste seinen Pinsel und was auch immer für Pulver benutzen. Diese Abdrücke kann man idiotensicher abfotografieren. Dass die Benutzung dieser Kamera in dem klebrigen Zustand keinen Spaß macht, kann man annehmen. Die Recherche im Internet förderte den Tip zutage, das mit Isopropanol abzuwischen. Tatsächlich hat das funktioniert. Ich hätte nur mehr Zeit einplanen sollen.
Ich kenne zwei Filme, in denen Fotografen eine wichtige Rolle spielen, „We Were Soldiers“ und „Under Fire“. Wenn meine Erinnerung richtig ist, benutzen beide Fotografen eine Nikon FM2, beide mit der großen Streulichtblende auf dem 50mm Nikkor. So eine mußte ich haben. So eine habe ich gefunden und gekauft, mit ebendiesem Nikkor 50mm f/1.4 mit der metallenen Streulichtblende. Hier ist die FM2n mit dem 28mm f/2.8 zu sehen.
Kodak & Kodak Vision 3 cinefilm (aka Silbersalz 35)
Jetzt mußte Film her. Der Kodak Portra 400 war wie eine Rückkehr in ferne Vergangenheit, der Ektar 100 farblich beeindruckend.
Aber da war noch was. Bei einem guten Fotofreund und Studienkollegen, Dr. Claus Sassenberg, hatte ich einen Artikel über Silbersalz 35 gelesen.
Das wollte ich unbedingt selbst ausprobieren. Wenn Quentin Tarantino und andere Hollywood Größen, Kodak dazu zwingen/davon überzeugen, weiter Filmmaterial herzustellen, klingt das aufregend. Der Film heißt „Kodak Vision 3 Motion Picture Film“ und wird von den Mädels/Jungs bei Silbersalz in Stuttgart in 35mm Filmrollen gesteckt. Wegen der anderen Rückseite des Materials muß er mit der ECN-2 Chemie entwickelt werden. C41 wird, lt. Silbersalz, keine ordentlichen Ergebnisse bringen. Die andere Rückseite, im Vergleich zu normalem Farbfilm, hat er, weil der Film in den schnell laufenden Kameras beim Filmen benutzt wird.
Inzwischen habe ich gelesen, dass diese Remjet-Schicht dazu dient, elektrische Aufladung durch Ladungstrennung zu verhindern. Der Potentialausgleich würde unweigerlich zu Lichtblitzen führen. Nicht so schön…..
Mit der ECN-2 Chemie wird diese Remjet-Schicht entfernt. Danach erfolgt die eigentliche Entwicklung, wenn ich das richtig verstanden habe.
Matt Wright von Leicalensesfornormalpeople hat auf dem Blog 35mmc einen interessanten Artikel zum Thema Bulk Loading Film, Eigenentwicklung und die Sauerei mit der Remjet-Schicht geschrieben.
Angeboten werden 4 verschiedene Typen, mit differenten Empfindlichkeiten, 50D, 250D, 200T, 500T. Das „D“ steht für Daylight, das „T“ für Tungsten, Tageslicht und Kunstlicht und gibt einen Anhaltspunkt für die Empfindlichkeit auf unterschiedliche Lichtfarben.
Als ich mein erstes Pack bestellt habe, war nur 200T erhältlich. Vermutlich gab es Lieferengpässe beim Rohmaterial.
In einem Pack sind 4 Filme. Entwicklung und Scannen sind inklusive. Erhalten und bezahlt habe ich am Ende 2 Packs. Das war nicht der Fehler von Silbersalz 35 sondern der des Logistikers, den ich hier namentlich nicht nenne. Der hatte es 14 Tage lang nicht geschafft, den Weg von Stuttgart in die Pfalz zu überwinden. Unglaublich aber wahr, “Just in Time” 2021.
Meine aktuelle Bestellung wurde letztlich mit DHL befördert, nachdem ich bei Silbersalz per Mail darum gebeten hatte.
Mutmaßlich war ich nicht der Einzige mit „Freude“ bei der Zustellung und Silbersalz hat den Logistiker gewechselt.
Derweil muss man erst mal die Gelegenheit haben, vier 36er Filme 200T zu Belichten, aka durchzuballern. Ich wollte nicht sinnlos durch die Gegend rennen und Blümchen fotografieren; ich habe Blümchen fotografiert und hatte immer eine digitale Kamera dabei, weil ohne geht ja nicht, oder? Ich musste mich regelrecht zwingen, keine digitale mitzunehmen.
Digitale Weiterverabeitung
Einige Wochen später ging das tolle Hardcase, in dem die Filme geliefert werden, auf seinen Weg zum Entwickeln zu Silbersalz 35 nach Stuttgart. Die Sache mit dem Hardcase finde ich sehr gut. Die Filme sind sicher verpackt und das Case wird wiederverwendet.
Man erhält bei Eingang im Labor eine Mail und wieder eine, wenn der Film entwickelt und gescannt ist. Die Scans kann man als Zip-Archiv vom Server ziehen. Eins der Archive enthält alle Raw-Scans, das andere die Scans, über die das Entwicklungs – Preset von Silbersalz gelaufen ist. Das habe ich dann später bemerkt. Die einzelnen Bilder sind im jp2-Format. Nun bin ich ein leidenschaftlicher Lightroom User. LR kann jp2 nicht. Adobe Photoshop kann jp2 öffnen, aber meine persönlichen PS-Kenntnisse sind denkbar rudimentär.
Das Programm xconvert ist so freundlich, die Bilder in Tiff zu wandeln. Danach lassen sie sich ausgezeichnet in LR importieren. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die jp2-Dateien 16Bit Farbtiefe haben. Die Tiffs dann natürlich auch. Die Dateigröße liegt zwischen 40 und 60 MB.
Ich gleich ran an die Raw-Scans. Ha, schließlich mache in nur Raw. Tja, der erste Blick auf die Bilder ist geringfügig verstörend. Die Farbe stimmt nicht. Klar, ich hatte 200T am Tag benutzt, bei besonders warmem Licht Richtung Goldener Stunde und ohne 85B Farbkonversionsfilter. Die Bilder bei Kunstlicht waren auch komisch flau. Ich habe mittels Weißabgleich/Farbtemperatur und Color Grading versucht, brauchbare Bilder zu bekommen. Sie sollten die Farbsituation so wiedergeben, wie ich sie in Erinnerung hatte. „Es hat zwar eine Weile gedauert, aber heute ist der große Tag.“ Oder so ähnlich. Herausgekommen sind zwei Presets für LR; nein ich werde die nicht bei Instagram anbieten, die zufriedenstellend funktioniert haben.
Und jetzt kam der klassische Dirk. Da waren ja die anderen Scans, die könnte man mal in Tiff umwandeln und in LR importieren. Ja, lacht einfach. Die Bilder sahen in etwa so aus, wie mit meinen empirisch entstandenen Presets. Oder zumindest fast. Sie waren insgesamt wärmer in der Farbtemperatur.
Was lerne ich daraus, oder auch nicht? Nicht ungeduldig sein, alles anschauen und, ich kann Presets. Wahrscheinlich sollte ich doch sinnlose Presets auf Insta anbieten.
Bisher hatte ich nur Scans von analogen Filmen als JPG gesehen. Die Chancen der Bearbeitung waren dort ausgeprägt eingeschränkt. Okay, man konnte ein bisschen an der Farbtemperatur drehen, beeindruckendes Ändern der Belichtung war nicht möglich, schon gar keine +/- 2EV. Das sah dann geradewegs nur Kacke aus. Die 16Bit Tiff von Silbersalz sind „geringfügig“ anders.
Das fühlte sich eher an, wie „normale“ digitale Raw-Dateien zu bearbeiten, seien es Leica-DNG oder Nikon NEF. Belichtung + 1.5EV? Kein Problem, Rauschen? Nöö, Filmkörnung sichtbar? Jaaa!
Ich war/bin echt begeistert und habe mir ein “all inclusive Paket” mit 50D, 200T, 250D, 500T bestellt. Das wird als Nächstes ausprobiert.
Die Empfindlichkeit des 200T in Bezug auf den Dynamikumfang ist eindrucksvoll.
Ich habe Bilder bei Sonnenlicht, abends im Biergarten und nachts im Hotel gemacht.
Nicht funktioniert hat der Versuch, zur blauen Stunde den Ort Neuleiningen zu fotografieren. Da lag der Fehler bei mir. Für diese Lichtsituation habe ich keinen gescheiten Belichtungsmesser. Als solcher diente die M10 und geschätzte Addition von Zeit durch mich. Zu meiner Rechtfertigung kann ich sagen, dass der Helligkeitsunterschied schon groß ist. Eine längere Belichtung hätte dem Bild dennoch mehr als gut getan. Der Schwarzschildeffekt hatte seinen Tribut gefordert.
Bei Claus und seiner Messsucherwelt habe ich die Ergebnisse des 50D im Vergleich zur M10 gesehen. Ich habe den subjektiven Eindruck, dass der Dynamikumfang des Films höher als der des Sensors der M10 ist. Okay, ist ISO 50 und wird sogar wie ISO 25 belichtet. Die M10 hat ca. ISO 200 als native Empfindlichkeit. Fairer wäre ein Test gegen die D850 mit nativem ISO 64.
Das Auszuprobieren reizt mich ungemein. Die Ergebnisse werde ich hier zeigen.
Fazit
Fotografieren mit Film ist nur zu empfehlen. Es macht langsam. Ja, ich weiß, das ist abgedroschen bis zum Geht Nicht Mehr.
Ich denke mehr über die Komposition nach und drücke nicht ganz selbstverständlich ab. Stimmt die Belichtung?
Bei der FM2 sind rechts im Sucher rote Leuchtdioden. Erscheint ein Kreis, ist alles passend, ein Plus drüber oder ein Minus drunter funktionieren auch und signalisieren leichte Über-bzw. Unterbelichtung. Die Blende habe ich meist mit dem Gedanken an den scharfen Bereich gewählt, es sei denn das Licht zwingt mich zu anderem. Die rechte Hand geht mit zwei Fingern an das „Zeitrad“, exposure time dial klingt auch gut, stellt die Zeit passend, bis die gewünschte Diode am rechten Rand leuchtet und dann….., dann wird noch einmal aufmerksam durch den Sucher geschaut, der Bildrand auf Störungen gescannt und dann gibt es wahrscheinlich ein Bild. Und nicht vergessen, kurzer Blick im Sucher nach links. Dort wird in rot die Belichtungszeit eingeblendet.
Demnächst wird die Olympus OM2n mit einem Silbersalz Film geladen. Die bietet den Vorteil einer Zeitautomatik und ist zierlicher als die ohnehin schnuckelig kleine Nikon FM2n. Der 50D Film wird in der Nikon landen. Die arbeitet mit 1/4000 sec als kürzeste Verschlußzeit. Unter Umständen kann mit ihr bei hellem Licht die Blende etwas weiter offen bleiben.
Danke an Alle, die bis hierhin gelesen haben. Der Nerd-Faktor war hoffentlich nicht zu hoch.
6 Comments
Tom
Moin Dirk,
schöner Bericht – und ich zähle mich auch zu den SIlbersalz35-Fans, wobei ich vom Groß- und Mittelformat herkomme und die Belichtung von 4 x 36 Bildern mich laaaange beschäftigt hält. Ich hatte die Filme vor ein paar Jahren schon einmal ausprobiert und war zu diesem Zeitpunkt nicht so begeistert: Ein Lichtleck nach dem anderen…an der Kamera lag es nicht, denn die diversen Ilford- und Portra-Filme hatten das Problem nicht. Ich denke, es lag an der alten Versandbox, in der die Filmpatronen relativ gequetscht waren. Mit den aktuellen Filmen bzw Boxen habe ich das Problem nicht mehr.
Bei der Bearbeitung nutze ich übrigens nicht LR sondern Photoshop – und nein, ich bin kein 25-Ebenen-Retouche-Experte, sondern normal eher rein bei LR oder Capture1 daheim. Es gibt aber für Photoshop das fantastische Plugin “Negmaster”, mit dem man die JP2-Dateien verarbeiten kann und das eine perfekt für technische noobs wie mich geeignete Benutzeroberfläche hat. Ich bekomme übrigens kein Geld von Negmaster, bin einfach nur hochzufrieden…
Viele Grüße von der Mosel in die Pfalz,
Tom
dirk
Hallo Tom,
vielen Dank für Deinen Kommentar. Die Boxen sind wirklich einmalig. Heute früh konnte ich einen 200T Film zu Ende belichten.
Ich bin der absolute LR-Fan. In PS sind meine Kenntnisse nicht weit von denen eines Analphabeten entfernt. Aber Danke für den Hinweis auf das Programm. Davon hatte ich noch nie gehört.
Ich sende Dir herzliche Grüße in Riesling-Land und wünsche einen schönen 3. Adventsonntag.
Dirk
TM1ka
ich warte mal auf eine 120er Version, irgendwie möchte ich nicht mehr zum 35er zurück.
Es fehlt mir da ebenfalls an der HW. Von einer FM2 träumte ich schon als jugendlicher.
Meine Minolta 9000AF funktioniert leider nicht mehr zu verlässlich und seit ich eine Rolleiflex T2 habe, ist die analoge Welt soweit wieder in Ordnung.
Bin schon gespannt auf die nächsten Bilder.
LG Thomas
Dirk Säger
Meinst Du, die machen eine 120er Version?
Bei mir liegen noch drei nicht entwickelte Filme im Kühlschrank. Einer ist noch in der Kamera. Wenn die voll sind, schicke ich sie weg und freue mich auf die Ergebnisse.
Wenn Du über 35mm und eine FM2 nachdenkst, schau auch unbedingt nach der FE2. Die ist in etwa so groß und schwer wie die FM2 hat aber den Vorteil einen Aperture-Priority Mode zu besitzen. Wenn Du gern schwerer trägst, wäre ein Gedanke an die F4 nicht verschwendet.
LG Dirk
Christian
vielen Dank für den tollen und ausführlichen Bericht. Ich nutzte bisher den 250D und möchte das Gesamtpaket von Silbersalz nicht missen. Auch wenn mir ab und an ein Kodak Ektar in die Hände fällt, komme ich immer zu den Silbersalzfilmen zurück.
Seit gestern habe ich auch den 200T geladen und bin auf die Bilder gespannt.
Die Ergebnisse in der puristischen Praktika L2 mit CZJ Tessar bzw. Sonnar überzeugen durch die Bank. Wenn die Stuttgarter jetzt noch einen Mittelformat Film auf den Weg bringen würden, wäre ich wieder von der digitalen Belichtung komplett weg.
Beste Grüße von der Ahr
Christian
Claus Sassenberg
Lieber Dirk,
schöner Bericht und noch schönere Bilder! Ich bin von den Silbersalz-Filmen auch restlos begeistert, eine Auswahl wartet im Eisfach auf den Einsatz. Die Verbindung von analogem Flair und geradezu “digitaler” Flexibilität der Scans finde ich besonders attraktiv!
Grüße aus Ostwestfalen,
Claus