
Analogfotografie in Kalifornien mit Silbersalz35 und Agfa APX 100
“Your focus determines your reality.” — Qui-Gon Jinn
Analogfotografie in Kalifornien mit Silbersalz35 und Agfa APX 100 im April? Wie können wir eine spannende Fotostory daraus machen?

Auf keinen Fall sollte der 10kg+ Fotorucksack dabei sein. Der ist nicht spannend, sondern spannt und zwar auf dem Rücken.

Da waren doch noch Filme im Tiefkühlfach, Silbersalz35 und Agfa APX 100. Wie wäre es, diese beiden mit verschiedenen Kameras gegenüberzustellen? Äpfel und Birnen? Irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht.
Und so begab es sich, dass vier Silbersalz35 250D und vier Agfa APX 100 Filme im Handgepäck landeten. Analoge Apparate? Die Kamera – Wahl ging an eine Olympus OM-2n und an die Nikon FM2n, mit 35mm Zuiko f/2.8 Auto-W und Nikkor 28mm f/2.8 Ai-S. Keine Ahnung, warum ich die OM-2n nicht auch mit 28mm bestückt habe, vielleicht wegen der Leica Q, die selbstverständlich auch dabei war und Claudias Anspruch auf die Olympus.


Ich hatte ein bißchen Bedenken, wegen der Filme im Handgepäck und der allfälligen, röntgenbasierten Exposition. Davon war auf den entwickelten Bildern/Scans nichts zu bemerken. Die Filme gehörten jedoch nicht in die empfindlichste Kategorie.



Silbersalz 35
Fotomotive und Südkalifornien?
Davon gibt es genug. Wir hatten die Idee, den Fisch-Markt von Tuna Harbor (Tuna Harbor Dockside Market) zu fotografieren.
Dieser findet jeden Samstag von 08:00 bis 12:00 Uhr statt. Sollte jemand ernsthaft frischen Fisch kaufen wollen; wir haben’s getan, empfiehlt sich frühzeitiges Erscheinen, da sich u.a. Restaurants dort versorgen. Sushi mit frischem Yellowfin Tuna…



Thunfisch aller Art, Mahi – Mahi (Goldmakrele), Heilbutt, Spanische Makrelen und Fische, die wir noch nie gesehen haben liegen frisch auf Eis. Fischgeruch? Fehlanzeige.





Nachdem ich die ersten Scans der Silbersalz35 Filme geöffnet hatte, war mein spontaner Gedanke, M10 und Nikon D850 zu verkaufen. Nein, das werde ich nicht tun.
Die Farben des 250D waren genial. Vermutlich hätte man meine Augen mit einem Stock abschlagen können, so habe ich auf die Bilder gestarrt.
Kurzer Exkurs:
Silbersalz35 hatte uns 14K Scans als jxl und RAW unaufgefordert ohne Aufpreis geliefert; danke an dieser Stelle für den Service. Als Gegenleistung wurden wir um einen kurzen Survey gebeten.




Aus der Dropbox lädt man bei 4 Filmen jeweils knappe 10GB für RAW und jxl (alle vier Filme insgesamt) herunter. Die RAW-Dateien müssen bearbeitet werden, die jxl sind mit einem Silbersalz-Preset bearbeitet, welches für uns sehr gute Ergebnisse lieferte, siehe oben.





Botanical House at Balboa Park, Rosecrans Cemetery, Font’s Point, Harbor
Der allgemeine Rat für Silbersalz35 Filme ist, diese um einen Stop überzubelichten. Man stelle sich das bei einem digitalem Sensor vor. Für den 250D hatten wir die Einstellungen auf 125 ASA. Wir sind diesem Vorschlag bisher immer gefolgt, wissen demnach nicht, wie die Belichtung auf 250 ASA aussehen würde.

Der APX 100 wurde auf 100 ASA belichtet. Aus praktischen Gründen; aka Faulheit und aus Unwissenheit haben wir auf etwaige Filter für B&W verzichtet.



Die OM-2n hat eine Belichtungsautomatik, Aperture Priority. Die technische Umsetzung war beim Erscheinen der Kamera eine kleine Revolution. Dazu bräuchte es allerdings einen extra Artikel.

Nachteilig empfanden wir die kürzeste Belichtungszeit von 1/1000s. Das wird in Südkalifornien teilweise knapp mit der Blende. Solange der Zeiger in der Anzeige im Sucher nicht oberhalb von 1/1000s ins rote Feld knallt, ist alles okay. Bisserl rein darf er.
Die FM2n ist in der Beziehung großzügiger. Sie schafft 1/4000s mit einem vertikalen Verschluß von Copal aus Titan oder später aus Aluminium; damals sensationell. Dafür fehlt ihr die Belichtungsautomatik. Rechts im Sucher finden sich rote Anzeigen „– o +“. Ich glaube, 0 und + gleichzeitig, bedeutet, daß man einen halben Stop überbelichtet; kann auch ein ganzer sein, bin nicht sicher. Wahlweise betätigt man für die korrekte Einstellung den Blendenring, das Zeitrad oder beides, wie früher halt…
Die Größe beider Apparate ist durchaus mit denen einer analogen Leica M 6 zu vergleichen. Die OM-2n ist dabei die deutlich kompaktere und leichteste der drei. Kein Wunder daß sie bis heute viele Liebhaber hat, zumal es in Deutschland sogar noch jemanden gibt, der Lichtdichtungen und die Spiegeldämpfung professionell tauscht. Ebenso sind die Zuiko Objektive kleine Meisterwerke. Die Stromversorgung für die Belichtungsmesser beider Kameras erfolgt u.a. über LR44 oder SR44 Akkus. Bei der Olympus sollte man unbedingt darauf achten, die automatische Belichtungsmessung nach Nutzung abzuschalten. Ansonsten haben die Batterien eine kurze Lebensdauer. Bei der Nikon habe ich seit dem Erwerb noch keine Akkus gewechselt, benutze sie aber nicht sehr oft.
Zurück zum Fischmarkt, Tuna Harbor
Aus unserer Sicht zeigen sowohl die B&W als auch die Farbbilder das geschäftige Treiben dieses Markplatzes. Welche der Aufnahmen die ausdrucksvolleren sind, muß jeder für sich selbst beurteilen. Gehört das zum Genre der Street-Fotografie? Möglicherweise.







Auffällig war für uns die Tatsache, daß wir als Fotografierende anders wahrgenommen wurden. Offensichtlich gibt es Menschen, die die klassischen Bewegungen des Auslösens und Nachspannens noch nicht aus ihren Erinnerungen verloren haben. Vielleicht ist es nicht so aufdringlich, wie das Smartphone, das bei manchen Zeitgenossen permanent einen Teil des persönlichen Sichtfeldes verdeckt und einen unbekannt großen Teil der geistigen Kapazität okkupiert (Smartphone-Zombie). Auf jeden Fall funktioniert “Mach isch Foto, tu isch Facebook” nicht.
Next Stop, Bombay Beach, Salton Sea
Ein Besuch in Bombay Beach an der Salton Sea ist für analoge Kameras geradezu Pflicht. Der morbide Charme des Zerfalls schreit förmlich nach einer rückwärts gewandten Annäherung an diesen Ort. Es war unsere zweite Berührung mit dem ehemaligen „in-place“ des L.A. Jetsets.

Hatte sich in den vergangenen zwei Jahren etwas verändert? Oberflächlich betrachtet machte es nicht den Eindruck. Aber…
Der ungewöhnliche Hurrikan im Süden von Kalifornien vor 2 Jahren hatte dem See dringend benötigtes Wasser geliefert; das meiste ist inzwischen wieder verdunstet.
Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie sind endlich abgeebbt. Bei allem Zerfall wirkte der Ort belebter. Die Zahl der Kunstinstallationen im Ort und am Seeufer hatte deutlich zugenommen.






Am „Strand“ kamen wir mit einer Künstlerin ins Gespräch, die neue Schriftzüge mit dem Pinsel von Hand anbrachte. Sie erzählte uns, daß in jedem Frühjahr wieder ein Kunst-Happening stattfindet, bei dem alle denkbaren Exponate und Phantasie-Dinge aufgestellt und gezeigt werden. Das präzise Wochenende dieser Party wird allerdings geheim gehalten und nur unter Eingeweihten verbreitet. Auf diese Weise versuchen die ehrenamtlichen Veranstalter, den Einfluß der Galerie-Betreiber aus L.A. und anderswo auf die Veranstaltung und vor allem auf die Preise zu begrenzen. Ganz offensichtlich ist ein Hype und das Bieten von fünf oder gar sechsstelligen Summen komplett unerwünscht. Independent ist das Stichwort.








Fazit:
Bombay Beach ist immer einen Besuch wert, zumindest wenn man in der Nähe ist. Advice: „Don’t go there in Summer!“ Die Temperaturen können 50°C erreichen und die durch den See hervorgerufene Luftfeuchtigkeit belastet geringfügig. Der Geruch, den das salzige, leicht faulige Wasser verströmt, tut ein Übriges.
Aber es gibt in der Nähe noch eine weitere Location.



Niland & Calipatria: Salvation Mountain
Besuchern des Salton Sea wollen wir an dieser Stelle noch eine weitere, verrückte Sehenswürdigkeit der Gegend nahelegen.

Schon mal etwas von Salvation Mountain gehört?
Diese von Leonard Knight in Handarbeit erstellte Kunstinstallation thematisiert Jesus und „Gott liebt Alle“. Glücklicherweise wurde sie 2002 von einer Senatorin als Nationales Kulturgut anerkannt; es gab nämlich schon Bestrebungen von Behörden, Salvation Mountain und Slab City zu beseitigen.



Computer – Spieler kennen ihn aus GTA V, GNTM-Konsumenten von einer Folge aus 2013, die mit den Hippie-Kleidern; na die lesen diesen Blog nicht und mittlerweile diente er als Kulisse in diversen Musikvideos und Filmen.

Wer in der Nähe ist, fahrt hin, staunt und laßt ein paar Dollar als Spende dort. Die gesamte Finanzierung erfolgt, wie so oft in den USA, nur aus Spenden. Bitte auf die Öffnungszeiten achten; findet man im Internet.
Nach so vielen, einleitenden Worten ist es schon selbstverständlich, daß wir die meisten Bilder mit Silbersalz35 gemacht haben.
Es frage uns bitte niemand, warum ich dort keinen Agfa APX 100 benutzt habe. Die Motive leben hier von Farbe und die ist reichlich vorhanden.
Anyway, Salvation Mountain und Bombay Beach sind ziemlich abgefahrene Orte und haben rein gar nichts mit den „üblichen“ Reisezielen der meisten deutschen Touristen zu tun. Von Ausnahmen abgesehen müssen die nach Los Angeles, inkl. Hollywood, Venice Beach, Walk of Fame und so weiter. Okay, zugegeben, auch das ist Amerika. Aber ist das nicht das Amerika der Influencer, Instagramer, TikToker? Es ist jedenfalls nicht das, was uns interessiert.

Im Nachhinein war für uns die Idee mit den analogen Filmen und der OM-2n und FM2n super. Beide sind sehr zuverlässig und ohne seitenweise Anleitung handhabbar. Zu beiden haben wir die gängigen Wechselobjektive von 28 bis 105 mm, die sinnvollerweise daheim geblieben sind.
Hey, wenn man nichts zum Wechseln dabei hat, wird diese Beschränkung nicht mal wahrgenommen.

Es wird oft kolportiert, der Messsucher der digitalen Leica M-Familie würde entschleunigen. Ja, tut er, ist aber mitnichten ein Vergleich zu einer analogen Kamera, selbst wenn diese über einen Prismensucher verfügen. Das war langsam.
Die Entschädigung kommt mit den Scans und prozentual viel mehr verwertbaren, guten Fotos als bei einem “triggerhappy” Approach, der nur durch rauchende Speicherkarten und leergesaugte Akkus gebremst wird. Als dessen Ende folgt das oft lustlose Durch- und Aussuchen von Bildern in Lightroom. Der Teil entfällt zunächst komplett. Dafür muß man sich aufraffen, die Filme wegzuschicken und wird mit dem Warten auf die Scans belohnt. In diesem Fall waren sie drei Wochen später bei uns. Klar, dann werden diese natürlich zu Lightroom importiert.



Noch ein paar Worte zu Silbersalz35
Die Mädels und Jungs bei Silbersalz 35 stecken tatsächlich Kodak Vision3 Motion Picture Film in 35mm Rollen und entwickeln den Film nach dem, für diesen Film, korrekten ECN-2 Verfahren. Angeboten werden vier verschiedene Empfindlichkeiten von Film, je zwei für Tageslicht und zwei für Kunstlicht. Und ja, es gibt nicht so ganz unbekannte Regisseure in den USA, die Kodak dazu ermutigen, immer noch „Chemie-Film“ herzustellen. Vermutlich hat fast jeder schon mal einen Kinofilm gesehen, der mit später digitalisiertem Vision3 Motion Picture Film gedreht wurde. Tatsächlich wurde dieser Film sogar dafür entwickelt, nach dem Belichten besonders gut scanbar zu sein.






Die Scans mit dem Apollon Scanner? Keine Ahnung, was für ein Preset beim Scannen verwendet wird; es ist top. Der Kunde bekommt neben 4K jpg auch 14K Raw Scans. Ich hab ein bißchen daran rumgespielt, bin jedoch nicht mal ansatzweise zu den gelieferten Ergebnissen der „high-jpg“ Dateien gekommen. Die Filmsubstanz nimmt für sich in Anspruch, einen Dynamikbereich von 16 Stops zu haben. Vermutlich gilt diese Aussage für den 050D Film; auf 25 ASA belichtet. Gibt es schon Digitalkameras, die das schaffen?

Im Licht des Imperial Valley wäre es sicherlich schlauer gewesen, den 50D zu benutzen, insbesondere wenn die OM-2n nur 1/1000s kann. Jedoch unmöglich, wenn der nicht in der Tasche ist.
Zum Agfa APX 100 können wir nicht viel sagen. Bei Agfa wird er jedenfalls nicht mehr hergestellt. Genial war der Preis im DM – Markt in Deutschland; €5.95 die Rolle. Und ja, vermutlich gibt es bei Kodak besseres Material zu kaufen. Aber, die beste Kamera ist die, die man dabei hat; analog für Film ebenso gültig. Für morbiden Verfall schien er uns passend.





Sollte demnächst der große Rush nach Bombay Beach und zum Salvation Mountain einsetzen, fühlen wir uns komplett unschuldig. Das liegt nur daran, daß es Zeitgenossen gibt, die nicht ins Smartphone starrend, mit teilblockiertem Blickwinkel durch’s Leben stapfen, sondern des Lesens mächtig, über die Blogs stolpern.
Wird hier gerade meine Abneigung gegenüber der Dauernutzung von Smartphones deutlich? Sorry dafür, aber ich meine es tatsächlich so. Gerüchten zufolge existiert tatsächlich ein Leben außerhalb der bunten Bildchen.

Und nicht vergessen, Samstag, Yellowfin Tuna ist schnell ausverkauft auf dem Fish Market. Vergeßt den Cooler für den Heimweg nicht. Eis bekommt ihr auf dem Markt. Es gibt sogar einen Filetier-Service und einen gut besuchten Fisch – Imbiß. Einen Anbieter von geräuchertem Fisch haben wir vermißt; Geschäftsidee?

Viele Grüße
Claudia & Dirk
p.s. Neue Silbersalz35 Filme sind unterwegs, APX noch im Kühlschrank
