Infrarotfotografie,  Technik & Film

Infrarot-Fotografie mit der Nikon D700

Wie kommt man auf die Idee, Infrarot-Fotografie zu versuchen und das mit einer Nikon D700?
Wer ist nicht fasziniert von den Bildern mit weißen oder gelben Bäumen, blauem Himmel und filigranen Wolken? Wer hat schon mal vom „Wood-Effekt“ gehört?

Infrarotfotografie Nikon D700
Ein Wintermorgen in der Pfalz

Vorab

Dies ist eine Beschreibung meiner Anfänge und der Dinge, die ich dabei gelernt habe.
Nicht ausgeschlossen, dass sich der ein oder andere für selbiges Genre aufgeschlossen zeigt.

Das menschliche Auge kann elektromagnetische Wellen zwischen 400nm (violett) und 700nm (rot) als sichtbares Licht erfassen. Analoge Fotografie erfasst, denke ich, einen ähnlichen Bereich, ausgenommen spezielle Filmemulsionen.
Da denke ich an den legendären Kodak Aerochrome. Den kann man preiswert auf eBay für €130 und mehr, die längst abgelaufene Rolle erstehen.

Hier einige Worte zum „Wood-Effekt“: Im Jahr 1919 beschrieb der amerikanische Physiker Robert Williams Wood das Phänomen, nach dem grüne Blätter in der Infrarotfotografie weiß erscheinen. Das Chlorophyll in den Blättern ist im nahen Infrarotbereich transparent. Dadurch reflektiert das im Blatt enthaltene Wasser den infraroten Bereich und läßt Laub weiß erscheinen.
Bei 630nm wird das Laub gelblich.

Schraubfilter

Digitale Sensoren können prinzipiell einen wesentlich weiteren Spektralbereich erfassen. Damit sie das nicht machen und uns Fotografen bei der Nachbearbeitung zum Verzweifeln bringen, haben die mitfühlenden Hersteller Sperrfilter vor die Sensoren gebaut, die diese unerwünschten Anteile weitestgehend “aussperren”.

Das ist das Stichwort für den Einsatz diverser Schraubfilter. Diese lassen nur Licht oberhalb einer spezifischen Wellenlänge passieren. Das wären beispielsweise 650nm, 720nm usw.. Für den digitalen Sensor bedeutet das, dass ihn durch seinen vorgesetzten Sperrfilter nur noch wenig Licht erreicht. Man fotografiert quasi durch einen Graufilter. Dadurch begibt man sich in den Bereich der Langzeitbelichtung und ich meine schnell 30s aufwärts, je nach Umgebungslicht.
Des Weiteren sollte es möglichst windstill sein, damit keine Bewegungsunschärfe auftritt, zumindest wenn man in der Natur fotografiert. Und das ist noch nicht alles. Kaum eine Kamera wird in der Lage sein, einen gescheiten Fokuspunkt zu finden. Das wiederum bedeutet, dass man den Filter erst nach dem Fokussieren aufschraubt oder Objektive benutzt, die sich manuell vernünftig bedienen lassen. Fertig? Nee … Der Fokuspunkt für infrarotes Licht unterscheidet sich von dem des sichtbaren. Bei älteren Linsen findet man oft einen roten Punkt auf der Entfernungsskala. Dieser wäre dann zu benutzen.

Klingt das nach Spaß? Sollte ich auf eine solche Idee kommen, lasst bitte prüfen, ob mir nicht besser eine gesetzliche Betreuung zugeordnet wird. Meine absolute Hochachtung gilt ausdrücklich den Enthusiasten, die es auf diesem Weg bewerkstelligen.

Konvertierung / Umbau

Welchen anderen Weg gibt es?
Klar, weg mit dem Sperrfilter vor dem Sensor … Habe ich das selber gemacht? Nein !

Mein Fotoschrank beherbergte eine seit über 2 Jahren ungenutzte Nikon D700. Ein Verkauf hätte lediglich das Taschengeld etwas aufgebessert. Das brachte mich zu dem Entschluss, diese Kamera zu „opfern“ und umbauen zu lassen.
Meine Wahl für diesen Service fiel auf https://irrecams.de/infrarot-umbauservice/ablauf.
Eine andere Adresse wäre: https://www.optic-makario.de/kameraumbau/

Als Neuling in der Infrarotfotografie war das für mich der beste Kompromiss. Die D700 hat einen 12 MP Vollformat Sensor und ist mir von der Bedienung gut vertraut.
Bei Kolari lassen sich fertig konvertierte Kameras erwerben. Die Kosten sind nicht unerheblich, und ich bin kein Profi, der damit seinen Lebensunterhalt verdient.

Meine D700 bekam einen 630nm Umbau, was bedeutet, dass der alte Sperrfilter gegen einen 630nm Filter getauscht wurde. Besagtes Teil lässt das Licht von 630 – 1200 nm passieren.

Die ausgebauten Filter, links der Sperrfilter, rechts der Staubfilter vor dem Sperrfilter


Jede Wellenlänge eines neuen Filters bringt zunächst andere Farbwirkungen, bis ab ca. 830nm nur noch Schwarz-Weiß-Bilder entstehen, weil keine Farbinformation mehr auf den Sensor gelangt.

630nm ohne Kanaltausch

Was ist der Vorteil eines Umbaus?

Die oben beschriebene Schraubfilteraktion fällt weg. Die Kamera lässt sich „normal“ nutzen. Darunter verstehe ich, dass man aus der Hand mit den gewohnten Einstellungen fotografieren kann.
Der Autofokus wird beim Umbau neu justiert. Im LiveView funktioniert er ohnehin.
Nachteil? Ein Rückbau ist vermutlich schwerlich möglich.

Und jetzt ist alles paletti?
Logischerweise nicht, sonst ginge der Text nicht weiter.
Was habe ich als Nächstes gelernt?

Hot-Spot


Es gibt jede Menge Objektive mit einem Infrarot-Hot-Spot. In der Bildmitte entsteht ein Bereich, in dem mehr infrarotes Licht auf den Sensor fällt als am Rand. Wäre das wie eine Vignette, ließe sich das gegebenenfalls beseitigen, aber nein, es ist farbig. Ich bin kein Photoshop-Profi, der das, sagen wir einmal, mit zig Masken und Bearbeitungsschritten hinbekommt.


Intensive Vignette des Objektives? Kein Problem, blende ich halt ab. Kann man machen und wird dabei herausfinden, dass sich der Hot-Spot auf diese Art wunderbar um vieles deutlicher herausarbeiten lässt. Mein geschätztes Sigma 35 f/1.4 Art ist eine solche Hot-Spot Maschine.

Objektive mit geringer Tendenz zum Hot-Spot:

Wie just erwähnt, gehört das Sigma 35 Art nicht zu den gut nutzbaren Objektiven. Bis Blende f/2.8 ist es halbwegs okay, darüber wird der rötliche Bereich unkorrigierbar. Diese weit offene Blende ist bei der Landschaftsfotografie nicht der gewünschte Burner.
Das Nikkor 24mm f/1.8 AF-S ED funktioniert deutlich besser in dieser Hinsicht. Das brachte mich auf die Idee, meine manuellen Nikkore zu probieren. Siehe da, das Nikkor 35mm f/2 Ai scheint völlig unproblematisch zu sein. Beim legendären Nikkor 105mm f/2.5 AiS gab es ebenso gute Ergebnisse.

Das 50mm kommt zu einem späteren Zeitpunkt. Dazu hat die Zeit bisher nicht gereicht.

Inzwischen hat die Zeit gereicht. Benutzt habe ich ein Nikkor 50mm f/1.4 pre-Ai und habe damit gute Ergebnisse erzielt. Allerdings weiß ich nicht, wie spätere Ai oder AiS Versionen dieses Objektivs funktionieren.

Nikkor 28mm f/2.8 Ai, 1/640s, f/8, ISO 200

Mittlerweile hatte ich Gelegenheit das Nikkor 50mm f1.4 prä- Ai vor die Kamera zu setzen.
Mit den Ergebnissen bin ich zufrieden. Dieses Objektiv hat keinen Hot-Spot.

Nikkor 50mm f/1.4 präAi
Nikkor 28mm f/2.8 Ai


Die Firma Kolari, welche in den USA Umbauten erledigt, pflegt eine Liste mit kompatiblen Objektiven.

Lernschritte Bildbearbeitung:

Die Bilder sind fotografiert. Jetzt geht es an die Nachbearbeitung. Kurzer Zwischenruf: Bitte immer im RAW-Modus fotografieren. Man wird gleich sehen warum …

Nach dem Import in Lightroom sieht man nichts weiter als Rot, okay in gewissen Abstufungen. Klar, der Weißabgleich … Pipette und auf eine helle Stelle gedrückt, hmm das wird so oder so nix.
Im Anschluss sollte man bei einem 630nm Umbau einen Kanaltausch von Rot und Blau vornehmen. Ich erledigte das in Photoshop, aber die Bilder sahen völlig verunglückt aus. Der mögliche Bereich für den Weißabgleich ist in Lightroom um ein Vielfaches zu schmal.

Der Anblick in Adobe Lightroom nach dem Import

Was nun?

Ich lade mir den Adobe DNG Profile Editor herunter und bastele für die Kamera ein eigenes Profil.
Das ist ein möglicher Ansatz, das Problem des Weißabgleiches zu lösen. Es finden sich mit Sicherheit auch noch andere.

Dazu wird ein entsprechendes Foto als DNG exportiert und im Editor aufgerufen.
Unter Color Matrices stellt man die Temperatur beim Weißabgleich auf -100. Die „Tone Curve“ habe ich gleichermaßen angepasst. Dann wird das neue Profil exportiert. Dem habe ich einen beschreibenden Namen gegeben, um es leicht zu finden. In Lightroom lässt es sich zu den Favoriten hinzufügen.

Für Windows gilt beim Export folgende Adresse:
C:\Users\”username”\AppData\Roaming\Adobe\CameraRaw\CameraProfiles
“Username” muss durch den jeweiligen Benutzernamen ersetzt werden.

Nach dem Neustart von Lightroom lassen sich beim Weißabgleich brauchbare Werte einstellen. Dazu muss auf das gewünschte Bild nur das eben erstellte Profil angewendet werden.


Nein, mit einem Preset funktioniert das meines Wissen nicht. Sollte das Profil verlorengehen, macht LR das Bild wieder rot, siehe oben …

Als Nächstes steht bei 630nm der Kanaltausch. Dazu übergebe ich das Bild an Photoshop. Mittels der Möglichkeit, immer wiederkehrende Aktionen aufzuzeichnen und mit einer Funktionstaste zu belegen, läuft der Tausch in Sekundenbruchteilen. Beim roten Kanal wird Rot auf 0 gestellt, Blau auf +100. Beim blauen Kanal stellt man Rot auf +100 und Blau auf 0.

Nach dem Speichern erscheint das Bild in anderen Farben in Lightroom und kann dort weiter verändert, „verschlimmbessert“ werden. Das bleibt dem individuellen Geschmack überlassen.

Der Weißabgleich in LR determiniert die Farben nach dem Kanaltausch. Hier bietet sich die Möglichkeit, ein wenig zu experimentieren. Man kann beispielsweise mit der Pipette auf eine helle Wolke klicken oder das Gras auswählen. Einfach experimentieren …

Februar

Den folgenden Absatz und seine Bilder habe ich am 27.02.2023 hinzugefügt.
Mittlerweile ist in der Pfalz ein Hauch von Frühling zu spüren. Die Bäume haben zwar noch keine reflektierenden Blätter, jedoch gibt es die ersten zarten Blüten an früh blühenden Mandelbäumen.

Umwandlung in Schwarz-Weiß mittels Silver Efex Pro 2

Die Umwandlung in Schwarz-Weiß Bilder lässt sich nach dem Kanaltausch in Silver Efex Pro bewerkstelligen. Dabei habe ich subjektiv bemerkt, dass viele Aufnahmen eine feinere Zeichnung zu haben scheinen. Unter Umständen bilde ich mir das nur ein. Auf alle Fälle lassen sich düstere Bildwirkungen erzielen, die vermutlich nicht jedermanns Geschmack entsprechen, aus meiner Sicht gleichwohl durchaus sehenswert sind.

Gleiches Motiv wie oben, einen kleinen Moment später
Infrarot-Fotografie mit Nikon D700, 630nm
Nikkor 35mm f/2 Ai mit f/2, 1/2000s

Was ist weiterhin zu bemerken?

Die Ausrede, bei voller Sonne nicht zu fotografieren, ist somit obsolet geworden. Sorry …
Die Sonne knallt zur Mittagszeit auf Laubbäume und das Motiv bietet gute Linien?

Blick auf den Haardtrand bei Weisenheim am Berg

Nur zu, jetzt entstehen bezaubernde, verträumte Bilder, Bilder die zu dieser Tageszeit mit einer anderen Kamera undenkbar sind.

Die Sonne sollte dabei im Rücken sein, um das maximale Resultat zu erreichen.


Meine Versuche mit ca. 90° bis 0° zur Sonne produzierten heftige Flares. Die Ursache dafür ist vermutlich auch der entfernte Sperrfilter, der die Fehler von Objektiven abmindern würde.

Die Mutter aller Flares

Logischerweise kann man alles mit einer umgebauten Kamera fotografieren.

Ich habe unter anderem Feuerwerk probiert, um festzustellen, dass es keinen Effekt hat von fetten Flares mal abgesehen. Ursache war der Mond oben rechts im Bild.

Portraits bekommen eine völlig andere Note. Unsere Haut reflektiert einiges im infraroten Bereich. So entstehen nach der Umwandlung in Schwarz-Weiß feine, weiche Hauttöne, die mit Sicherheit bei jeder Dame Gefallen finden.

Nikkor 105mm f/2.5 AiS


Weniger Freude wird sie an einem frontalen Portrait aus der Nähe empfinden, wenn sie dabei in die Kamera geschaut hat. Die Augenpartie wird schlicht gruselig.

Nach Umwandlung mit Silver Efex
Eindeutig besser, wenn es nicht frontal ins Gesicht geht (okay, vielleicht nicht 100% scharf)
Nikkor 35mm f/2 Ai, übrigens hinter einer verspiegelten Sonnenbrille

Geschrieben habe ich diesen Beitrag im Januar, weil mir viel zu spät eingefallen ist, dass ich mir eine Kamera konvertieren lassen könnte.

Mein Dank geht an dieser Stelle an Sven Lamprecht von IRRECams.de, die super Arbeit und die schnelle Abhilfe beim Problem mit dem Speicherkartenslot, inklusive nochmaligem Hin und Her Senden.

Ich freue mich auf den Frühling und Sommer und die damit verbundenen Motive.

Ein weiteres Objektiv, das ich mittlerweile ausprobiert habe ist das Sigma 20mm f/1.4 Art, Nikon F-Mount.
Im Gegensatz zum hoffnungslosen 35mm aus gleichem Haus war ich positiv überrascht.

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