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Meyer Görlitz,  Technik & Film,  Vintage-Objektive

Meyer Görlitz Orestor 2.8 135, ein Bericht

Das Meyer Görlitz Orestor 2.8 135 mm ist ein Teleobjektiv mittlerer Brennweite. Es wurde vermutlich um 1962 von Hubert Ulbrich für Meyer Görlitz entwickelt. So läßt es sich zumindest aus der DDR-Patentschrift 33.141 schließen.
Es hat 5 Elemente in 4 Gruppen und gehört zum Typ der Sonnare.

Meyer Görlitz Orestor 2.8 135

Das Orestor ist in verschiedensten Varianten hergestellt worden. Die anfänglichen Exemplare hatten eine 15 Lamellen-Blende. Es gab die bekannten Zebra-Versionen und später modern aussehende Modifikationen. Ab 1970 lautete die Bezeichnung Pentacon 2,8/135.
Verfügbare Anschlüsse sind M42, Exa, Pentacon, Altix
Ich weiß leider nicht, ob die Objektive bis zum Zusammenbruch des VEB Pentacon gebaut wurden. Die letzten Exemplare kamen wohl 1992 von Samyang und waren mit Pentacon gelabelt.

Warum ein Meyer Görlitz Orestor?

Eines der berühmtesten Objektive von Meyer Görlitz ist zweifellos das Trioplan 100 f/2.8; das Teil mit dem Bubble-Bokeh. Neue Trioplan-Linsen kosten um die 1000€, gebrauchte sind mittlerweile in Bereichen (260 – 400 €) angelangt. Ein Preis, der bei mir Kopfschütteln auslöst. Dazu muß man bei den gebrauchten eines mit M42-Mount und nicht dem Exa-Mount finden.
Bei den neuen von OPC kann man aus verschiedenen Anschlüssen wählen.
Mit anderen Worten, das wollte ich nicht, zumal ich ein neues Trioplan 50 f/2.8 von OPC mit F-Mount besitze.

Es hat einen Hauch von Fungus im hinteren, inneren Teil

Und so kam ich auf das Orestor 135 f/2.8 mit einem M42-Mount. So würde ich es an M10 und D850 nutzen können. Außerdem mußte es eines mit 15 Blendenlamellen sein.
Die Fotos, die ich im Internet gesehen hatte, machten mich interessiert. Sie zeigten ein weiches, seidiges Bokeh mit deutlicher Separation, ohne den knalligen Seifenblaseneffekt des Trioplan.
Fündig wurde ich bei einem bekannten niederländischen Gebrauchthändler für € 85,-.

Aufbau:

Das Objektiv ist 98mm lang und hat einen Durchmesser von 66mm. Es wiegt mit dem Adapter für Nikon F 536g. Gefertigt ist es komplett aus Metall. Die Streulichtblende aus Metall wird vorn aufgeschraubt. So ist es ungefähr 122mm lang.
Etwaige Filter kann man zwischen Objektiv und Streulichtblende schrauben.

Die Naheinstellgrenze ist 1,5 m; nicht übel für ein mittleres Tele. Die Blendeneinstellung reicht von 2.8 offen bis 32 (Modell Stecknadel). An meinem Exemplar ist sie stufenlos verstellbar und bleibt dank der 15 Lamellen weitestgehend rund beim Abblenden. Spätere Ausfertigungen haben eine 6-Lamellen-Blende, die keine runde Öffnung behalten kann.
Die Fertigungsqualität ist gut. Leider habe ich keine Kenntnis über etwaige Wartungsmöglichkeiten bei den Blendenlamellen oder Helicoiden. Es läßt sich mit Sicherheit öffnen; nach einer Anleitung habe ich nicht gesucht.

Ich bin immer wieder beeindruckt, wie verschwenderisch die Zahl der Blendenlamellen vor 60 bis 90 Jahren war. Mein Biotar von 1955 hat ebenso derer 15.

Benutzung:

Das Ding ist schwer, 536g sind nicht ohne, insbesondere an der M10. Andererseits wiegen moderne Linsen gern das Doppelte.
Wie man sich leicht denken kann, ist es komplett manuell. Man muß sich demnach selbst bemühen, den Fokuspunkt zu finden und dazu über die Blende nachdenken. Und das fast gleichzeitig.
Nein, eine Springblende besitzen nur spätere Bauformen. Abblenden erschwert somit das Fokussieren.

Mein persönlich größter Kritikpunkt ist der Weg des Fokus-Ringes von 1,5m zu ∞. Das sind in der Tat fast 360°. Folglich mal eben von ganz nah nach ganz fern ist mit ziemlicher Schrauberei verbunden. Der Fokusring läuft trotz seines fortgeschrittenen Alters zwar recht leicht, aber letztlich wird man die Kamera in der einen Hand gegen die Hand am Objektiv verdrehen, um schneller um den Kreisverkehr zu kommen.

Das Fokussieren an der D850 erfolgt über die Darstellung der Pfeile und des zwischen ihnen mittigen Punktes links unten im Sucher. Ich muß dabei immer ein bißchen nach unten links schielen, um den Punkt zu erwischen. Dabei darf die Kamera unzweifelhaft nicht aus der Waage bewegt werden. Es gibt einfachere koordinatorische Aufgaben. Übung hilft hier. Ja und dann zeigen die Pfeile in die entgegensetzte Drehrichtung; > bedeutet nach links, näher ran, drehen, < heißt, ich bin zu dicht dran.

Fast alle Vintage-Objektive zeigen dieses Phänomen. Ich hab immer gedacht, die wären alle falsch. Tatsache ist allerdings, daß wohl nur Nikon in die andere Richtung dreht. Als jahrzehntelanger Nikon-User sind alle anderen verkehrt herum, basta. 😉

An der M10 muß man den Visoflex bemühen oder mittels LiveView fokussieren.

Die Blende ist ohne Rastung und läuft exzellent stufenlos. Sie bleibt wegen der 15 Lamellen dabei annähernd rund; schrieb ich schon.

Abbildungsleistung:

Vorweg, die Konstruktion ist aus den frühen 60er Jahren. Die anfänglichen Exemplare hatten im Gegensatz zu den letzten Produktionsjahren kein Multi-Coating.
Wer hier ein knackscharfes, mittleres Tele erwartet, ist definitiv falsch.
Ich habe es ohnedies meist offen, bei f/2.8 verwendet. Da fällt es zum Rand deutlich ab, ist dennoch in der Mitte ausreichend scharf.

Abgeblendet auf f/5.6 oder f/8 ist es als leichtes Teleobjektiv durchaus an einer 45MP Kamera, wie der D850 geeignet.
Das Verhalten in Gegenlichtsituationen hat mich mehr als positiv überrascht. Brutale Flares, wie man sie sogar oft an modernen Konstruktionen findet, waren nur sehr schwer zu erzeugen. Im Gegenteil, bei vollen Gegenlichtaufnahmen entstehen Bilder, die einen fast märchenhaften Ausdruck haben.

Die Farbwiedergabe tendiert in den warmen Bereich.

Die gute Nachricht für alle Nutzer infrarot-konvertierter Kameras: Es hat keinen Hot-Spot
Das habe ich mit meiner IR-D700 ausprobiert.

Bokeh:

Der vermutlich wichtigste Diskussionsgegenstand dürfte das zu erzeugende Bokeh sein. Bei 135mm f/2.8 darf man erwarten, daß Motive sauber freigestellt werden. Das können Portraits sein oder die vielen „Blümchenbilder“, die ich für diesen Beitrag gemacht habe.
Blumen passen einfach ins Frühjahr, brauchen keinen Termin für ein Shooting und sind grandios geduldig.

Schwerpunkt und wird nicht vor lauter „Onion-Rings“ zur Nebensache. Damit will ich keineswegs die Trioplane schlecht reden. Die hDas Bokeh entspricht meinem persönlichen Geschmack. Es wirkt ruhig, mit weichen Übergängen. Lichtflecke im Hintergrund können seifenblasenartige Gebilde werden. Bei keinem Versuch konnte ich Bubbles wie mit dem Trioplan erzeugen. Anders gesagt, das Motiv bleibt im gestalterischen aben definitiv ihren festen Platz.

Buchstäblich mystisch wirken auf mich die Blumenbilder mit vollem Gegenlicht; vorzugsweise morgens oder abends bei tiefstehender Sonne erzeugt.
Zweifellos können Experten diesen Look mit Photoshop erzeugen. Ich als PS-Legastheniker kann es definitiv nicht.

Fazit:

Für Liebhaber von Altglas/Vintage-Objektiven möchte ich das Meyer Görlitz Orestor 135 als „Hidden Gem“ bezeichnen.

Die Preise für gebrauchte Exemplare scheinen in der Nach-Corona-Zeit zu stagnieren oder sogar leicht zu fallen. Das gilt wohl für fast alle Vintage-Objektive.

Wer ein mittleres Tele ohne perfekte Abbildungsleistung zu einem kleinen Preis sucht, kann damit nicht viel falsch machen. Es fehlt die vordergründige Präsenz der Trioplan-Exemplare.

Die teilweise transzendent wirkenden Bildeffekte machen es für mich zu einem recht unbekannten Kleinod der Vintage-Klasse.

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